Um die bröckeligen Schulgebäude Leipzigs zu sanieren, müssen viele der kaputten Schulen geschlossen werden. Die Schülerinnen und Schüler hingegen müssen weiter beschult werden. Dazu entstand in der Stadtverwaltung der Plan sogenannte „Auslagerungsschulen“ zu bauen, in denen dann jeweils unterrichtet wird, so lange das eigentliche Schulgebäude in grundsaniert wird.
Das wäre alles nicht weiter spektakulär, denn niemand kann etwas gegen neue Schulgebäude einzuwenden haben. Jedoch die Fläche, auf der die Auslagerungsschule gebaut werden soll, beherbergt aktuell noch ca. 200 Garagengebäude. Diese müssen abgerissen werden, um den Schulbau voranzutreiben.
Eine verfahrene Situation, es musste also abgewogen werden, zwischen Kinderwohl und Garagenerhalt. Am Ende fiel die Entscheidung für den Schulneubau. Nicht aber ohne Rede von PARTEI-Stadträtin Katharina Subat, die das Dilemma nocheinmal in voller verbaler Breite aufgedröselt und sogar einen Vorschlag zur Güte mitgebracht hatte – den Garagen-Gnadenhof!
Hier die Rede im Volltext, es gilt wie immer das gesprochene Wort:
„Erst wenn der letzte Parkplatz vernichtet, wenn die letzte Garage abgerissen und wenn eure Autos pausenlos durch die Gegend fahren müssen, weil Parken unerschwinglich geworden ist, dann werdet ihr merken, dass man auf Kindern nicht parken kann!“
Heute geht es in dieser Debatte um nicht weniger als den deutschen Wey off Laif. Es geht um Identität und Volksgemeinschaft. Es geht um: Garagen.
Als 1374 die ersten, aus Pleißeschlamm geformten Lehmgaragen im Leipziger Sumpfgebiet entstanden, war ein Auto noch Zukunftsmusik. Mit der Erfindung des Automobils kamen die Leipziger Schlammhütten endlich zu ihrer wirklichen Bestimmung. Nachdem schon wieder ein Weltkrieg verloren worden war, konnten die Leipzigerinnen ihre ausgebombten Hütten neu und diesmal sogar aus Stein bauen.
Zwar wohnten ab da nur noch selten Menschen in den Brumm-Brumm-Favelas, denn die Familien hatten sich um neue Mitglieder erweitert, die den Wohnraum beanspruchten: Sie hießen „Trabbi“, „Wartburg“ und „MZ“. Doch stolz wie Bolle war die Leipziger Bevölkerung auf diese uralte, primitive Wohnform trotzdem. Mensch und Auto feierten auf dem Garagenhof gemeinsam Druschba-Trassen-Tag, den 1. Mai oder den Tag der Republik.
Die Welt war NOCH in Ordnung.
Doch diese traditionsreiche Welt des Friedens und Mittags-schon-besoffen-Sein steht kurz vor der Vernichtung. Eine rücksichtlose Stadtelite will den braven Leipzigern ihre urwüchsige Lebensform. Zum angeblichen Wohle angeblicher „Kinder“ soll die wirklich allerkleinste Zelle der Gesellschaft – das Auto in der Garage – beseitigt werden.
Die Fraktionen haben dementsprechend verbal aufgerüstet.
Die CDU hat in ihren Worthülsenkatalog zum Thema „Neue Asylheime“ geschaut und einen beliebten Klassiker ausgegraben: „Warum denn ausgerechnet HIER?! Können die nicht wo anders bauen!“
Die AfD hat auch so einen Katalog, aber das „Keine Garage ist illegal“-Banner offenbar zuhause vergessen. Ganz schlechte Vorbereitung!
Die SPD schlägt vor „Warum nicht einfach 100 Schotterplätze?“ und hofft, dass Dieter und Klaus, auch ohne Garage, sich einfach aus dem Kofferraum heraus die Biere in den Rachen gießen.
Dass Die Linke noch keinen Änderungsantrag eingebracht hat, verwundert ein wenig, sitzt doch ihre Kernwählerschaft auf den betonierten Höfen herum.
Es ist also wie immer: Das eine Gut wird gegen das andere ausgespielt, ob nun aus bösem Willen oder Desinteresse, wir wissen es nicht genau. Den Garagenmeiern bricht ein Stück Lebenswelt zusammen und die Stadtverwaltung kreuzt in der Vorlage bei „Bürgerbeteiligung“ den Punkt „nicht nötig“ an. Hätte man drauf kommen können, liebe Verwaltung, dass in Ostdeutschland einen Garagenhof zu beseitigen nicht ohne Bürger in Wut abläuft.
Dass „Christ“demokraten, Sozialdemokraten, demokratische Sozialisten und die Undemokraten nun als Kämpfer fürs Autohäuschen kraftmeiern ist das eine. Dass die Verwaltung dieses Entweder-Oder, Schule-oder-Garage durch ihr lapidares „nicht nötig“ mit herbeigeführt hat, ist das andere.
Die PARTEI macht ihnen allen darum einen Vorschlag zur Güte:
Der Garagenhof kommt weg, schließlich haben wir die Obdachlose-Schulkinder-Waffe auf der Brust. Dafür entscheidet der Stadtrat demnächst darüber, ob wir nicht so etwas wie einen zentralen Leipziger Garagen-Gnadenhof brauchen. Dort können dann Dieter und Klaus sich auf eins-zwei-drölf Bier treffen und darüber wettern, wie schlimm heute alles ist und wie schön es früher war. Dann lernen die Kinder vielleicht auch noch was.
Ich bitte darum, dies als Protokollnotiz festzuhalten.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit