Das Geld ist knapp. Leipzig steht unter Kürzungsdruck – es fehlen über 100 Millionen Euro für einen ausgeglichenen Haushalt. Fraktionsvorsitzender der Freien Fraktion Sven Morlok sprach dazu in der Ratsversammlung am 15.1. zur finanziellen Lage der Stadt. Und die Risiken, die in einem nicht genehmigungsfähigen, also unausgeglichenen Haushalt liegen. Auch die Rolle von Rot-Rot-Grün im Stadtrat der letzten Jahre beleuchtet Morlok kritisch, insbesondere aber auch das Führungsversagen des OBM Burkhard Jung.

Die Rede ist nach dem Klick (dank Stadt Leipzig auch inkl. Gebärdensprachverdolmetschung) anzuschauen und zu hören:

Hier die Rede von Sven Morlok im Transkript:

Sehr geehrter Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Aufstellung des Doppelhaushalts, wie er von der Verwaltungsspitze hier in den Stadtrat eingebracht wurde, war schon schwierig. Es war nicht einfach, eine Genehmigungsfähigkeit darzustellen, da musste man schon zu sehr intelligenten Maßnahmen greifen. Wir haben aber zwischenzeitlich erfahren, dass diese intelligenten Maßnahmen nicht ausgereicht haben. Sondern, dass nach Einschätzung der Verwaltung, ein weiteres Risiko von 110 Millionen Euro klafft in unserem Haushalt. Wissen Sie, was uns am meisten überrascht? Dass Sie alle überrascht sind. Wir sind es nämlich nicht.

Ich habe hier an dieser Stelle vor sechs Jahren oder etwas mehr als sechs Jahren im Zusammenhang mit dem damaligen Doppelhaushalt bereits darauf hingewiesen, dass wir ein strukturelles Haushaltsproblem haben, dass unsere Ausgaben über den Einnahmen liegen, dass wir eine Entwicklung haben, dass Ausgaben und Einnahmen nicht mehr in gleicher Richtung laufen. Warum war es denn möglich gewesen, in den letzten Jahren den Haushalt überhaupt zur Deckung zu bringen?

Wir hatten Coronaausnahmeregelungen, wo man auch intelligent alles was man mit Corona in Zusammenhang bringen konnte, vor die Klammer gezogen hat. Wir hatten die Energiepreissteigerung aufgrund Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Auch da gab es Ausnahmeregelungen, auch da war man clever möglichst viel Energiepreissteigerung ginge dort hinzuzurechnen, um den Haushalt zur Deckung zu bringen.

Und wir hatten den Sachverhalt, dass ein deutscher DAX-Konzern aus der Automobilbranche entschieden hatte, eine Tochtergesellschaft an die Börse zu bringen, was uns 70, 80 Millionen Euro Gewerbesteuer pro Jahr auf einmal zusätzlich eingebracht hat.

Wissen Sie, was uns am meisten überrascht? Dass Sie alle überrascht sind. Wir sind es nämlich nicht.

– SVEN MORLOK ÜBER NAIVE POLITIK –

Ich habe davor vorgewarnt, dieses Geld mit vollen Händen auszugeben, aber die Warnungen wurden in den Wind geschlagen. Grüne, Linke und SPD haben mit ihrer Mehrheit im erweiterten Finanzausschuss und Stadtrat ständig neue Ausgabenbeschlüsse durchgedrückt.

Und das ist die Ursache für das Dilemma, das wir heute haben. Das heißt also die Verantwortung für die Haushaltslage und Haushaltsprobleme liegen bei SPD, bei Grünen und bei Linken. Wenn man sich heute die Haushaltsdebatte anschaut, dann hat man eine ganz andere Verantwortungszuweisung.

Die Linken sind natürlich selbstverständlich der Auffassung, dass sie nichts dafür können. Da ist der Bund Schuld und der Freistaat Sachsen. Bei der SPD ist es besonders putzig, weil die SPD ja auch nichts dafür kann. Schuld ist der Oberbürgermeister, der auch ein SPD-Parteibuch hat, so Frau Feichtinger, weil er keine Einsparungsvorschläge gemacht hat.
Sich so aus der Verantwortung zu stehlen ist schon beschämend, liebe Kolleginnen und Kollegen. Und es freut mich, es ehrt Sie, Herr Bonew, dass Sie in einem Interview in der LVZ deutlich gemacht haben, dass ich mit den strukturellen Ausgabenproblemen, die ich gerade beschrieben habe, aus ihrer Sicht Recht habe.

Und es kommen noch mehr Risiken auf uns zu. Handelskrieg mit China, Putin, Trump – das sind alles Dinge, die die Dinge noch erschweren werden. Investitionen jetzt zurückzufahren, gefährdet die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt. Investitionen sind auch immer Arbeitsplätze bei Unternehmen hier in der Stadt Leipzig und sie belasten den Haushalt ja nicht mit der Investitionssumme, sondern nur mit dem Anteil der Tilgung und den Zinsen. Hier sollten wir antizyklisch handeln.

Und auch ein Kahlschlag im Stellenbereich hilft uns nicht weiter, haben wir doch einen geteilten Arbeitsmarkt und suchen nach wie vor händeringend Fachkräfte. Da kann es doch nicht zielführend sein, Stellen zu reduzieren, auf Fachkräfte zu verzichten, die wir später nur mühsam wieder bekommen. Gerade diese Fachkräfte sind wichtig, um die Zukunftsaufgaben in unserer Stadt zu bewältigen.

Ist das nicht genau diese Unredlichkeit, die uns in der Bevölkerung vorgeworfen wird?

– SVEN MORLOK ÜBER UNEHRLICHE POLITIK –

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen auch keinen Kahlschlag bei der Freien Szene. Kulturelle Vielfalt ist ein Wesensbestandteil einer freien Gesellschaft. Das macht eben gerade die Kultur aus, die man persönlich vielleicht nicht konsumiert, die man persönlich auch nicht mag, wo man nie hingehen würde, wo einem das nicht passt.

Das ist das Wesen einer freien Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die sich nur auf Staatskultur, auf Mainstream-Kultur stützt, ist nicht wirklich frei. Das haben wir erlebt bei den Nazis. Das haben wir erlebt bei der SED. Und das erleben wir jetzt bei Putin in Russland. Wundern Sie sich, dass AfD und BSW da kürzen wollen? Wir wundern uns nicht.

Ein genehmigungsfähiger Haushalt ist eine wichtige Voraussetzung. Nur so haben wir das Recht, über unsere Ausgaben selber zu entscheiden. Ohne genehmigungsfähigen Haushalt werden wir quasi vom Freistaat entmündigt. Und der Statthalter Landesdirektion entscheidet was wir dürfen und was wir nicht dürfen.

Allerdings kann man einen Haushalt auch nicht mit Luftbuchungen zur Genehmigungsfähigkeit bringen. Es ist richtig: 110 Millionen Euro sind doch nicht weg. 110 Millionen Euro sind Risiken. Wenn man aber im Stadtrat Entscheidungen trifft, die diese Risiken herbeiführen, dann muss man auch die Verantwortung dafür übernehmen und Deckungsvorschläge unterbreiten.

Ein Risiko in unserem Haushalt sind 23 Millionen aus der Erhöhung der Kita-Beiträge. Wenn wir diese nicht beschließen, diese Erhöhung, wird aus dem Risiko von 23 Millionen eine Tatsache, dass 23 Millionen im Haushalt fehlen. Und liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie nicht willens sind diese Kita-Erhöhung hier im Stadtrat und zwar vor der Beschlussfassung des Haushaltes zu beschließen, dann sind Sie so ehrlich und reichen Deckungsvorschläge von 23 Millionen Euro hier ein und zwar ohne, dass sie für ihre Haushaltsänderungsanträge verwendet werden. Weil wir dafür dann diese Vorlage-Belege benötigen.

Hier in diesem Stadtrat die Kita-Beitragserhöhung abzulehnen und den Haushaltsansatz, der mit der Erhöhung verbunden ist, im Haushalt stehen zu lassen, das ist ein Belügen der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Leipzig, ein Belügen der Landesdirektion das ist unredlich.

Die Meinung über Politik und Politiker in Deutschland ist in der Bevölkerung wenig gut. Ist aber nicht gerade ein solches Verhalten, auf der einen Seite das Geld im Haushalt stehen zu lassen, wenn man persönlich weiß, dass man der Erhöhung nie zustimmen wird, eines von den Dingen, die die Bürgerinnen und Bürger an der Politik kritisieren. Ist das nicht genau diese Unredlichkeit, die uns in der Bevölkerung vorgeworfen wird?

Herr Oberbürgermeister, ich erwarte nicht, dass Sie in den letzten zwei Jahren ihrer Amtszeit, dieses Problem mit der Führung lösen werden

– Sven Morlok über Burkhard jung –



Herr Oberbürgermeister haben Sie den Mut, die Vorlage zur Erhöhung der Kita-Beiträge so rechtzeitig in den Stadtrat einzubringen, dass vor der Haushaltsbeschlussfassung darüber entschieden werden kann. Und wenn die dann nicht durchgeht, dann müssen wir bevor hier irgendein Änderungsantrag beschlossen wird, uns erstmal Gedanken machen, wie wir die 23 Millionen ausgleichen. Das ist eine Grundvoraussetzung, um einen ehrlicherweise genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen.

Lassen sie mich zum Schluss noch auf das Thema Haushaltsausgabenreste eingehen. Auch das wurde auf der Landesdirektion heftig kritisiert. Glauben Sie, Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Mitarbeiter unserer Stadtverwaltung so blöd sind, dass sie im Sommer eines Jahres nicht erkennen, wieviel Geld ungefähr bis zum Jahresende für Investitionen abfließen wird?

Wir glauben das nicht. Wir glauben, dass man das Geld zurückhält, weil man Angst davor hat, dass man im Prozess der Stadtverwaltung, wenn irgendwo Mehrausgaben auftreten, die entsprechenden Mittel zur Deckung nicht mehr erhalten wird. Man hält sich also an dem Geld fest. Und das ist ein Zeichen für fehlende Führung. Es sind Zeichen dafür, dass das Vertrauen in der Stadtverwaltung fehlt. Das ist nämlich eine Führungsaufgabe, Herr Oberbürgermeister, und es ist zuallererst Ihre Führungsaufgabe, bei der Sie in den letzten Jahren versagt haben.

Um zum Schluss zu kommen, Herr Oberbürgermeister, ich erwarte nicht, dass Sie in den letzten zwei Jahren ihrer Amtszeit, dieses Problem mit der Führung lösen werden. Aber liebe Kolleginnen und Kollegen, vielleicht kann es für uns alle und die Wählerinnen und Wähler der Stadt Leipzig ein Kriterium bei der Auswahl des nächsten Oberbürgermeisters sein oder Oberbürgermeisterin, jemanden zu finden, der es kann.

Vielen Dank